Roach Reviews: 10 Jahre

Normalerweise würde ich zu dieser Zeit des Jahres einen Rückblick unserer besuchten Locations machen. Da 2020 uns und unserer geplanten Tour durch Polen leider einen Strich durch die Rechnung gemacht hat, weiten wir diese Review von einem Jahr nun eben auf zehn Jahre aus.

Vor 10 Jahren bin ich das erste Mal in Kontakt mit dem Thema Urban Exploration bekommen. Seitdem ist viel passiert, ich habe viel erlebt, so viele coole Leute kennengelernt und einige meiner besten Erinnerung dabei gemacht. Natürlich gab es in all den Jahren die ein oder anderen Fragen, welche mir im Zuge von Interviews, Arbeiten oder schlicht und ergreifend von anderen Personen gestellt wurden. Also ganz in einer „1000-Fragen-an-mich-Manier“ hier ein bisschen was über die Schreiberin dieses Blogs und die letzten 10 Jahre als „Urban Explorer:

Was hat dich den dazu gebracht? / Wie hat das angefangen bei dir?

Das Interesse war ja schon wesentlich länger da, angefangen hat alles schon etwa 2010. Ich hatte damals zwar noch keine Ahnung von der Szene und dem Begriff Urban Exploration. Dafür war ich ein Fan von dystopischen und apokalyptischen Genres, egal ob Filme, Bücher oder Spiele. Besonders angetan haben es mir aber damals schon Geschichten, in denen Leute das erkunden, was nach der Menschheit überbleibt (besonders die Metro-Reihe) oder an jene Orte gehen, die sie eigentlich nicht sehen sollten (Picknick am Wegesrand). Irgendwann stolperte ich dann die Geschichten rund um die Tschernobyl Sperrzone und die Spiele der S.T.A.L.K.E.R – Reihe. Man folgt dabei einer Storyline in der radioaktiven und von Mutanten bewohnten alternativen Version der Sperrzone um den Reaktor. Dabei spielt man einen „Stalker“, also eine Person, welche aus irgendwelchen Gründen in die Zone gekommen ist, sei es Geld, Abenteuerlust oder um dem Gesetz zu entkommen. Neben den üblichen Elementen, welche ein klassischer Shooter eben so mit sich bringt, konnte man dabei noch eine große Map erkunden. Besonders um durch die Ruinen von Prypjat zu laufen, verwendete ich damals viel Zeit. Wäre doch cool, so etwas auch mal in Real Life zu machen, oder? Ja wäre es…leider hatte ich niemanden, der freiwillig mitkommen würde und ich? Nun nachdem ich zwei Jahre nur nach verlassenen Orten gesucht habe, hatte ich doch nie den Mut hineinzugehen…bis es mich in einer kalten Winternacht 2012 doch in einen verlassenen Gasthof neben der Bushaltestelle trieb…und seitdem lässt es mich nicht mehr los.

Und warum nennst du dich Roach?

Und auch dieser Name stammt ursprünglich aus einem Spiel und hat nichts mit den kleinen Insekten zu tun. Damals saß ich nebenbei gerade am zweiten Teil von Call of Duty: Modern Warfare. Dort spielt man zeitweise einen Charakter mit Namen Gary „Roach“ Sanderson. Ich brauchte einen Benutzernamen für ein Forum…für den Blog hab ich den Namen dann gleich behalten.

Warum interessieren dich dann alte Bruchbuden?

Schwierig…am Anfang würde ich sicher sagen war viel Adrenalin dabei. Hat man halt nicht alle Tage, man muss möglichst unbemerkt irgendwo rein, man weiß nicht wirklich, was drinnen auf einen wartet etc. Zeitweise war es dann sicher auch um es möglichst überall im Internet posten zu können. Mittlerweile ist mir das eigentlich ziemlich egal, der Blog läuft so nebenbei mit relativ guten Besucherzahlen und regelmäßigen Anfragen. Heute würde ich immer noch sagen, dass viel ist Adrenalin dabei ist, aber es geht jetzt schon mehr in die Richtung „einfach was erleben, was nicht alltäglich ist“ und natürlich die Geschichten dahinter. Lost Places gehören bei uns eigentlich auch zum regulären Urlaubsprogramm.

Ist das nicht etwas seltsam, einfach irgendwo so einsteigen?

Das klingt jetzt so, als würden wir jedes Wochenende überlegen, wo wir als Nächstes einbrechen können. So ist es natürlich nicht. Wir legen sehr viel Wert darauf, das wir uns zum einen sicher sind, dass die Objekte wirklich verlassen sind und das wir dort hineinkommen ohne etwas aufzubrechen oder kaputtzumachen. Seltsam war vor allem am Anfang, mittlerweile ist es kaum noch so, nur bei Gebäuden, welche schwieriger zu betreten sind, bleibt ab und zu ein seltsames Gefühl übrig.

Aber ist das nicht unheimlich, wenn da persönliche Gegenstände herumliegen?

Unheimlich nein, „etwas befremdlich“ trifft es besser. Wobei es ganz darauf ankommt, was zurückbleibt, private Alben, Fotos oder Spielzeug sind natürlich was anderes als wenn einfach nur Möbel herumstehen. Es bleibt dort halt immer die Frage nach dem „Warum?“.

Schnüffelt man da nicht einfach nur im Leben der anderen herum?

Klar, aber sind wir ehrlich…wer hat nicht schon mal irgendwie bei irgendwem herumgeschnüffelt? Oft bleiben die Personen, welche einst dort lebten trotzdem Unbekannte, warum sie ihre persönlichen Sachen zurückließen, bleibt auch oft ein Geheimnis. Natürlich kann man manchmal fast schon zu viel herausfinden, wenn man plötzlich eine Menge Mahnungen und unzählige unbezahlte Rechnungen findet, sowie die Kündigungen von Job und Vermieter, natürlich weiß man am Ende sehr viel über die Person. Ich hatte auch den Fall, dass ich den ganzen Niedergang einer noch lebenden Person jetzt kenne. Die Wahrung der Anonymität steht hier jedoch trotzdem an erster Stelle, ich verzichte entweder komplett auf Fotos privater Akten oder mache diese sonst unkenntlich.

Hast du keine Angst erwischt zu werden? Außerdem ist das ja auch nicht ganz ungefährlich.

Deswegen geht man besser nicht alleine los. 😉 Angst erwischt zu werden, klar, die ist immer da. Auch, wenn die Konsequenzen normalerweise nicht sonderlich bedrohlich sind.

Wurdet ihr schon mal erwischt?

Erwischt ja, fast erwischt auch, aber das Beste war, als mir einer mit einer Anzeige auf eine Mail gedroht hat. Ich habe damals direkt beim Verwalter gefragt, ob ich ein altes Kino legal besuchen dürfte. Zusätzlich hab ich ihm halt geschrieben, dass ich gerne verlassene Orte fotografiere und ihm meinen Klarnamen gegeben. Was auch immer er daran falsch interpretiert hat, er meinte, dass das ja sehr interessant ist und er sich meine Kontaktdaten und die Mail gut aufbehalten werde, sollte etwas bei dem Kino passieren aber ja, ich könne es schon besichtigen. Daraufhin habe ich aber abgelehnt, scheinbar dachte er wohl ich würde einfach so hinfahren, die Scheibe einwerfen und mir so Zutritt verschaffen. Das Beste daran: Etwa einen Monat später wurde das Kino abgerissen.

Was war das komischste / lustigste / seltsamste was du erlebt hast?

Vermutlich jede Location in Berlin. Angefangen von einem verlassenen Schwimmbad vor dem sich, als ich eigentlich wieder rauswollte, plötzlich zwei ältere Damen lautstark darüber runterhielten, wie toll das Schwimmbad doch zu DDR Zeiten war und was sie dort alles erlebt hatten. So spannend die Geschichten auch waren, das ganze dauerte fast 20 Minuten, währenddessen saß ich in einem Busch fest…

Dann gab es, ebenfalls in Berlin, die Situation, dass ich in einem alten Hotel auf zwei mehr oder weniger obdachlose Jugendliche traf. Sie hatten aber wohl mehr Schiss als ich, sie dachten nämlich ich wär vom Jugendamt. Junge #1, 13, und Junge #2, 14 und waren aus dem Heim ausgerissen und übernachteten dort. Wir haben uns etwas unterhalten, sie haben mich herumgeführt und baten mich am Ende, sie nicht bei der Polizei zu melden.

Auch eine Story aus Berlin: Ich habe in einem verlassenen Krankenhaus einem gerade im romantischen Tun vertieften jungen Paar den Schock ihres Lebens verpasst, als ich plötzlich halblaut fluchend aus den Brombeerbüschen rauskam (den einfacheren Weg hatte ich übersehen).

Einmal ist auch ein Kollege in einer alten Psychatrie auf ne tote Taube getreten. Weniger lustig für ihn als für mich. 😉

Hast du Lieblingsorte bzw. einen Lieblingsort?

Definitiv die „Centrale Idroelettrica“: Italien Tour: Tag 4

Gibt es Orte, die du unbedingt noch sehen willst?

  • Prypjat (Ukraine)
  • Das Buran-Raumschiff (Kazakhstan)
  • Eine Japan-Tour
  • Ernest Shackletons Hütte in der Antarktis und Grytviken (Südgeorgien)
  • Der Atombunker in Polen (den wir dieses Jahr nicht geschafft haben) und die riesige Erdbeere (auch in Polen) die mitten im Nirgendwo liegt (einfach nur weil xD)

Wird es nach 10 Jahren nicht langweilig?

Langweilig nicht. Ich bin sicher nicht mehr so euphorisch wie am Anfang aber mittlerweile ist das größere Problem einfach, dass ich nicht mehr so viel Zeit habe.

An dieser Stelle euch allen einen Guten Rutsch ins neue Jahr, bleibt gesund und hoffentlich lesen wir uns nun wieder öfter!

~ Cheers!

Roach ❤

4 Gedanken zu “Roach Reviews: 10 Jahre

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