Über den Dächern der Stadt

Wahre Geschichte:

He, hob auf dein WhatsApp Status gsehn, dass du in Hamburg worscht. Schene Fötos. Wos host den gmacht da?

Eigentlich wor I auf an Kongress von dar Uni aus und so…

Okay und sinsch? Worst decht sicher nit lei dort?

Na, hob halt Stodt angschaut und so, war ganz nett. St. Pauli und Hafen und so…

Ober du mochst decht o so Erkundungen, host do nix gfunden?

Jo scho. Nit viel, aber woren ö coole Sachen dabei.

Und dos Bild do auf dem Dach, wo worst do?

Jo…hahaha…lustige Gschichte… Do bin I mit oan aus der Gegend unterwegs gwesen und noch zwölf Stunden sein mir zum zwoaten Mal aufn Dach vo so am Bürogebäude gsessen, vo dem mir gedocht haben es sei verlassen, wors aber nit und die onzige Idee vo uns war: „He, kommen wir aufs Dach?“, und dann hoben wir halt so a fette Dachlucke aufgmocht und sein dann do öben gsessen und hoben die Aussicht genossen.“

So, und jetzt nochmal für Alle xD

Wer es entziffern konnte, wird sich jetzt wahrscheinlich denken: „Was bist du den für ein Trottel?“ Aber fangen wir von vorne an:

Bevor es nach Hamburg ging hab ich wie immer das Internet nach Lost Places in der Gegend abgesucht, leider ist es in Hamburg ähnlich wie in anderen Großstädten, es gibt nicht viel oder zumindest nicht viel was sich lohnt. Da die Zeit aber schon langsam knapp wurde und ich auch nicht unbedingt allein gehen wollte (mein Komplize war ja nicht dabei) fing ich also an, Urbexer in und um Hamburg anzuschreiben, ob denn jemand Lust auf eine kleine Tour hatte. Von allen Angeschriebenen meldete sich nur einer. Ein gewisser Dax des „Gemeinschaftsprojekts Codename Lotte“ schrieb tatsächlich zurück und wirkte auch direkt angetan von der Idee. Gesagt getan, am Samstag gings mit dem Zug von Tirol nach Hamburg und am Sonntag machte ich mich morgens auf den Weg quer durch Hamburg zum vereinbarten Treffpunkt. Dax erwartete mich bereits mit dem Auto. Grob sollte es mehr ein Auschecken von Locations werden, da er einiges um Hamburg hatte. Zugeben bin ich, gerade wenn ich allein unterwegs bin, immer etwas nervös, wenn ich neue Leute treffe und dann auch noch an Ecken gehe, wo sonst keiner ist. Dax stellte sich aber auch als der sympathische, freundliche Typ heraus, mit dem ich vorher geschrieben hatte. Der Tag versprach also echt lustig zu werden. Zwar hatten wir mit den Lost Places weniger Glück, dafür bekam ich direkt eine Rundfahrt durch die Außenbezirke Hamburgs und durchs „Alte Land“. Das hier der Airbus sein Werk hat, war mir auch nicht bekannt. Einen ziemlich coolen Ort hatten wir dann aber im nördlich der Stadt, dazu später mehr.

Am späten Nachmittag hatte Dax noch ein Bürogebäude auf der Liste, welches in nächster Zeit abgerissen werden sollte und angeblich schon leer sein sollte. Das Gebäude befand sich zwischen anderen benutzten Gebäuden und machte von außen noch einen recht guten Eindruck. Eigentlich hatten wir nicht erwartet, dass hier irgendwas offen ist. Ich versuchte mich trotzdem einfach an einer Seitentüre, welche fett mit „Kein Eingang“ gekennzeichnet war. Es war eine Doppeltüre, ihr wisst schon, die wo man auf der anderen Seite den Stopper schließen muss, damit sie dicht hält…scheinbar war da jemand nicht ganz so sauber beim Abschließen. Mit einem ordentlichen Ruck ging die Tür auf. Schnell huschten wir hinein und jetzt wurde es komisch. In einem der Gänge brannte Licht und auch der Aufzug war offensichtlich noch funktionsfähig, auch sonst wirkte das ganze Gebäude eben wie ein Bürokomplex am Sonntag. Nachdem aber keiner da zu sein schien, wollten wir uns zumindest noch im ersten Stock umsehen. Das der Strom noch nicht abgestellt war, wäre ja bei einem erst seit kurzem verlassenen Gebäude nicht so ungewöhnlich. Alarm schien es auch keinen zu geben, also gingen wir weiter. Scheinbar wurde hier erst mit der Räumung begonnen, einige Gebäudeteile waren komplett ausgeräumt, andere sahen aus, als ob hier definitiv am Montag Leute wieder zur Arbeit kamen. Der Großteil der Büros war natürlich abgeschlossen, aber auch sonst hätten wir sicher keinen Blick dort hineingeworfen. Ernsthaft: Man wühlt nicht in den Sachen von Firmen oder sonst wem! Eine Überprüfung der Technik stand laut Plan auch in der nächsten Woche an. Wie auch immer…verlassen war das Gebäude sicher noch nicht, zumindest war man erst dabei. An diesen Punkt wäre wohl jeder normal denkende Mensch wieder raus, nicht aber wir, oh nein! Den wir wollten wissen: Kommt man aufs Dach? Es gab nur einen Weg das herauszufinden. Langsam überwindenden wir das Treppenhaus bis zum 14. Stock. Dort gab es ein massives Hindernis, welches uns vom Dach trennte: Eine schwere hydraulische Luke. Aber warte! Der Strom läuft ja noch! Neben uns gab es nämlich samt Anleitung die Mechanik zum Öffnen. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass uns beiden wohl in diesem Moment etwas anders wurde. Sollten wir das wirklich machen? Irgendwie waren wir eh schon zu tief drin, also hoch damit. Unter strengster Einhaltung der Anleitung legte Dax den Hebel um. Knarrend öffnete sich die Luke. Glücklicherweise schien das Geräusch im Treppenhaus lauter hörbar zu sein als außen. Langsam machten wir uns auf den Weg nach draußen. Möglichst Weg von der Kante, denn unten gingen immerhin die Leute spazieren. Was aber wohl keiner von denen ahnte, war, was es für ein geiler Ausblick über den Hafen Richtung Stadtzentrum war! Nach ein paar Fotos mit dem Handy (wir hatten die Kameras noch im Auto) schlossen wir die Luke wieder und verschwanden unauffällig aus dem Gebäude. Jetzt erstmal ein Kaffee/Tee an der Tankstelle. Und als ob diese Aktion gerade nicht schon riskant genug gewesen wäre, beschlossen wir, dass wir im Dunkeln nochmal dorthin gehen, diesmal mit Kameras. Fragt besser nicht…ich kann euch auch nicht sagen warum…xD

Dax brachte mich in der Zwischenzeit noch zu einem netten Fotospot von dem aus man einen tollen Blick auf die Container und Kräne hatte.

IMG_9357.jpg

Und als es dann dunkel wurde, fuhren wir zurück. Das ganze Spiel also von vorne. Um und im Gebäude hatte sich zum Glück nichts verändert. Scheinbar hatte nur jemand vergessen, dass Licht auszuschalten und auch hatte uns keiner bemerkt. Also nochmal hoch in den 14. Stock und erneut durch die knarrende Dachluke. Was kann ich an dieser Stelle noch sagen? Der kalte Wind pfiff uns ordentlich um die Ohren und mein Adrenalin hätte mich fast umgehauen, aber der Blick über die beleuchtete Stadt! Ein Traum! So riskant das Ganze auch war, diesen Blick auf Hamburg haben wohl nicht viele. Fast zwei Stunden später saßen wir leicht durchgefroren wieder im Auto und sammelten uns erstmal. Mitunter war das wohl eine der bescheuertsten Aktionen, welche ich bisher durchgezogen habe. Wir waren beide auch am nächsten Tag noch total gehyped, aber ich bin ehrlich…öfter bräuchte ich sowas nicht…mein armes Herz xD

So…am Ende nochmal ein ganz liebes Danke an Dax, es war echt lustig mit dir! Freue mich schon aufs nächste Mal! 😀

Cheers!

Ganz am Ende (es steht auch auf der Startseite): Bitte beachtet, dass das Betreten von Lost Places rechtlich schon schwierig ist, bei Orten, welche aber sogar noch in Betrieb sind, ist es nochmal eine ganz andere Hausnummer. Bitte, bitte, bitte macht das ja nicht nach!

~ Eure „Urbex-Mutti“ Roach

10 Gedanken zu “Über den Dächern der Stadt

  1. Pingback: Die Kalksteinbrennanlage | UrbanRoachBlog

  2. Wow oder Leichtsinn? 😉 Aber ohne euer Risikofreude hätten wir nicht so einen tollen Bericht und tolle Fotos. ich hätte gerne das Gebäude und Wege durch, gesehen 😉 Bin ja neugierig und muss ja mehr als früher am Boden bleiben.
    Liebe Grüße
    caro

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    • Liebe Caro,
      Eher Letzteres. 😉 Ich hab jetzt mit Abscht keine Bilder vom Inneren hochgeladen, durch die Firmennamen in den Gängen hätte man wahrscheinlich schnell herausgefunden, wo der Komplex genau steht. Dax wird aber, wenn der Abrss beginnt, ein Video hochladen, in dem man mehr sieht. 🙂

      Lg,
      Roach ❤

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  3. Hallo Roach,

    ein spannender Bericht! Du machst echt Sachen das muss ich schon sagen Sag mal, hättest du und dein Kumpel hättet ihr nicht als Einbrecher festgenommen werden können oder hätte euch nicht weiß Gott was passieren können wenn ein angeblich leer stehendes Gebäude noch Licht hat und scheinbar Menschen darin unterwegs sind? Hut ab vor deinem Mut und vor den tollen Fotos die du von dieser Aktion mitgebracht hast,

    Liebe Grüße
    Bettina

    P.S. Ich bin gespannt was du sonst noch so an Abenteuern erlebst …

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    • Naja, so gesehen war es ja kein Einbruch (wie bei unseren anderen Orten auch, wir brechen ja nichts auf), sondern Hausfriedensbruch, der wird in Deutschland normalerweise nur auf Antrag verfolgt. Aber ja, ganz intelligent war es sicher nicht wegen der dort ansässigen Firmen (auch wenn wir uns von den Büros ferngehalten haben). Danke! xD

      Lg, Roach ❤

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  4. Das war echt ne scharfe Nummer! Soviel Glückshormone haben mich zuletzt Weihnachten durchflutet und ich würde lügen wenn ich sage, ich war nicht mindestens genauso aufgeregt. Klasse Bilder Roach und ein schöner Text dazu. Freue mich auf ein Wiedersehen! Liebe Grüße TL-Dax

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